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  • AutorenbildDr. Kerstin Gröhn

Vorkaufsrecht in der aktuellen Praxis - ein relevantes Thema für Käufer und Verkäufer

Wer eine Immobilie verkaufen oder kaufen möchte, sollte sich mit der Möglichkeit des Bestehens von Vorkaufsrechten zugunsten der Stadt beschäftigen. Solche sind verbreiteter als gedacht und liegen für den Laien oft nicht offen zutage. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 09. November 2021 (Az. 4 C 1/20) anhand eines Berliner Sachverhalts die allzu großzügige Handhabung des Vorkaufsrechts in Gebieten von Erhaltungsverordnungen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 172 BauGB) unterbunden – Hamburg macht sich gemeinsam mit Berlin und München allerdings schon für eine Neuregelung stark, um die gewünschte „Beinfreiheit“ im Vorkauf wieder herzustellen. Auch an anderen Stellen können Überraschungen lauern.


Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 09. November 2021

Die Ausübung des Vorkaufsrechts in Gebieten sozialer Erhaltungsverordnungen erfolgt zumeist, um einer Gentrifizierung dieser Gebiete vorzubeugen. Die Stadt befürchtet, der neue Eigentümer könnte ein Wohngebäude aufwerten und durch die dann steigenden Mieten die angestammten Bewohner verdrängen. Dieser Blick in die Zukunft genügt allerdings zur Ausübung des Vorkaufsrechts nicht. Die Ausübung ist ausgeschlossen, wenn das Grundstück entsprechend den Zielen und Zwecken der Erhaltungssatzung bebaut ist und genutzt wird und eine auf ihm errichtete bauliche Anlage keine der in § 177 BauGB näher definierten Missstände oder Mängel ausweist. So regelt es § 26 Nr. 4 BauGB und so hat es das Bundesverwaltungsgericht jetzt bestätigt: Maßgeblich kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts an; zukünftige Entwicklungen sind hingegen nicht von Bedeutung. Entschieden wurde dies für den Bereich einer sozialen Erhaltungsverordnung, zu übertragen ist die Entscheidung aber auch auf andere Gebiete städtebaulicher Maßnahmen, insbesondere auf Sanierungsgebiete und städtebauliche Entwicklungsbereiche. Auch hier kommt die Stadt derzeit nicht schon deswegen zum Zuge, weil sie eine Unterwanderung ihrer Ziele durch den Käufer befürchtet. Von einer baldigen Initiative zur Wiedererlangung der politisch gewünschten Vorkaufsfreiheit dürfte aber auszugehen sein.


Weitere Vorkaufsrechte

Mit dem Baulandmobilisierungsgesetz wurden nicht nur Baumöglichkeiten, sondern auch Vorkaufsrechte erweitert. Nachdem Hamburg die dafür erforderliche Verordnung im Juli 2021 erlassen hat, besteht ein Vorkaufsrecht im Rahmen des § 25 Abs. 1 Nr. 3 BauGB nun auch an brachliegenden Grundstücken, die in Gebieten eines Bebauungsplans oder eines unbeplanten Innenbereichs vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden können. Eine erkennbar vorläufige Bebauung oder eine Einfriedung sichern die Handlungsfreiheit des Verkäufers dabei nicht: Das Vorkaufsrecht besteht auch hier.


Leicht zu übersehen ist bei den Kaufs- und Verkaufsplanungen auch das durch § 18a HmbBNatSchAG im Jahr 2020 eingeführte Vorkaufsrecht an Grundstücken in Landschaftsschutzgebieten. Das Vorkaufsrecht besteht unabhängig von der Bebauung oder Nutzung des Grundstücks. Etwa 20% der Hamburgischen Landesfläche liegen in Landschaftsschutzgebieten. Welcher Anteil hiervon in der Hand privater Eigentümer liegt, ist soweit ersichtlich nicht erfasst; zumindest in den Außenbezirken hat die Vorschrift aber längst praktische Relevanz erlangt.


Auch die Mobilitätswende kann zu unerwarteten Überraschungen führen: Ist im Bebauungsplan für einen faktisch dem Wohngrundstück zugehörigen Teil eine bislang nicht verwirklichte Straßenverkehrsfläche ausgewiesen, kann auch hier ein Zugriff durch die Stadt erfolgen. Dies beispielsweise zum Ausbau einer Veloroute, die der möglicherweise bereits 50 Jahre alte Bebauungsplan mit Sicherheit nicht vorsah.


Fazit

Die Beschäftigung mit Vorkaufsrechten sollte frühzeitig erfolgen. Mit Unterzeichnung des Kaufvertrages ist es regelmäßig zu spät und es bleibt nur der Rechtsweg. Nur bei der Ausübung preislimitierter Vorkaufsrechte kommt für den Verkäufer ggf. der Rücktritt in Betracht. Er kann sein Grundstück dann behalten – muss es aber auch, denn ein Verkauf zum Marktwert ist faktisch auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen.


Dieser Text von Dr. Kerstin Gröhn ist erschienen in der Mitgliederzeitschrift des Grundeigentümer-Verband Hamburg "Hamburger Grundeigentum", Ausgabe 04/2022.

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