Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover hat auf die mündliche Verhandlung am 09. Februar 2022 die Klage der Stadt Delmenhorst gegen eine der Beigeladenen durch die beklagte Gemeinde Stuhr erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines „Decathlon“-Fachmarktes abgewiesen. Die beigeladene Vorhabenträgerin wurde von den Rechtsanwälten Klemm & Partner vertreten.
Aus der Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts:
"Die Beklagte genehmigte nach vorheriger Anpassung ihres Einzelhandelskonzeptes, des Flächennutzungsplanes und Änderung des örtlichen Bebauungsplans im Dezember 2019 der Beigeladenen die Errichtung des Vorhabens mit einer Verkaufsfläche von 3.565m² im Gewerbegebiet Brinkum-Nord. Nach erfolglosem Eilantrag verfolgte die Stadt Delmenhorst ihr Begehren gegen den inzwischen eröffneten Sportfachmarkt auf dem Klageweg weiter.
Sie vertritt die Auffassung, dass die Genehmigung des Vorhabens unter Verletzung des sogenannten interkommunalen Abstimmungsgebotes und der Ziele des Landesraumordnungsprogramms erteilt worden sei. Ihre Belange als Nachbargemeinde seien im Rahmen der Abwägung nicht ausreichend berücksichtigt worden. Mit der Errichtung eines weiteren großflächigen Einzelhandelsbetriebes erweitere die Gemeinde Stuhr die Einzelhandelsagglomeration in Brinkum-Nord und missachte die ihr durch die Landesraumordnung zugewiesene Rolle. Die Errichtung des „Decathlon“-Sportfachmarktes beeinträchtige durch die zu erwartenden Umsatzverschiebungen in städtebaulich relevanter Weise die Funktionsfähigkeit der Delmenhorster Innenstadt und gefährde so ihren Versorgungsauftrag im bereits vorgeschädigten Einzelhandelssegment der Sportbekleidung und -artikel. Die Auswirkungen des Vorhabens und der einhergehende Trading-Down-Effekt in Delmenhorst seien von der Beklagten systematisch unterschätzt worden, die hierzu vorgelegten Handelsgutachten seien nicht belastbar. Darüber hinaus sei der maßgebliche Bebauungsplan unwirksam und dies für sie als Nachbargemeinde rügefähig.
Das Gericht ist dieser Argumentation nicht gefolgt und sieht die Klägerin durch die Baugenehmigung nicht in ihren Rechten verletzt. Der Entscheidung sei ein hinreichender Abwägungsvorgang vorangegangen, in dessen Rahmen zwei belastbare gutachterliche Untersuchungen zu den Auswirkungen des Vorhabens eingeholt worden seien. Diese stützten in plausibler und methodisch nicht zu beanstandender Weise das Abwägungsergebnis, dass aufgrund der geringen in der Innenstadt der Klägerin zu erwartenden Umsatzverschiebungen i.H.v. 0,2 Mio Euro jährlich schwere Beeinträchtigungen der Planungshoheit der Stadt Delmenhorst nicht zu erwarten seien. Nur solche seien im Rahmen des interkommunalen Abstimmungsgebotes wehrfähig. Der Schutz von Einzelhandelsbetrieben vor Konkurrenz sei demgegenüber durch das interkommunale Abstimmungsgebot nicht bezweckt. Auch sei kein Abwägungsfehler im Hinblick auf einen in der Innenstadt der Klägerin zu beklagenden Trading-Down-Effekt festzustellen, da das eigene Einzelhandelskonzept der Klägerin trotz der Defizite von einer grundsätzlichen Funktionsfähigkeit ihres zentralen Versorgungsbereichs hinsichtlich der ihm raumordnungsrechtlich zugewiesenen Rolle ausgehe. Weiterhin könnten die geltend gemachten Verstöße gegen das Bauplanungs- und Raumordnungsrecht - namentlich das Kongruenzgebot, das Integrationsgebot und das Beeinträchtigungsverbot - nicht zur Aufhebung der angegriffenen Baugenehmigung führen, weil es aus obigen Gründen auch unter diesen Gesichtspunkten an der konkreten Beeinträchtigung einer für die Klägerin einklagbaren subjektiv-rechtlichen Position fehle.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Kammer hat gegen das Urteil die Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zugelassen.
Az.: 4 A 3597/20"
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