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  • AutorenbildDr. Ulf Hellmann-Sieg

Wenn die Wärmepumpe den Nachbarn stört…

Aktualisiert: 26. Okt. 2023

„Es saugt und bläst der Heinzelmann, wo Mutti sonst nur saugen kann.“ Trotz einiger technischer Unterschiede im Einzelnen ist der Loriotsche Staubsauger damit gut vergleichbar mit der Funktionsweise einer Wärmepumpe - und teilt damit auch dessen funktionsbedingten Nachteile: Eine gewisse Lärmentwicklung lässt sich nicht vermeiden. Und genau das hat den Bauherrn eines Einfamilienhauses vor ungeahnte Probleme gestellt.


Die zugrunde liegende Konstellation ist rasch geschildert. Der Nachbar eines Bauherrn konnte sich mit dessen Bauabsichten nicht recht anfreunden und erhob gegen die erteilte Baugenehmigung Widerspruch. Um Baumaßnahmen zu verhindern, stellte der Nachbar beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf Suspendierung der Baugenehmigung. Mit Erfolg: Die Baugenehmigung gestattete ausweislich einer gestempelten Bauvorlage die Errichtung einer nicht näher bezeichneten technischen Anlage in einem Raum, der über Wandöffnungen in einem Abstand von fünf Metern vom nachbarlichen Gebäude verfügte. Da sich die Baugenehmigung zu Einzelheiten ausschwieg, konnte das Gericht nicht ausschließen, dass es womöglich zu Lärmbeeinträchtigungen des Nachbarn kommt. Das genügte dem Verwaltungsgericht für einen Baustopp, was wiederum schon an dieser Stelle zu der Empfehlung nötigt, mit Anlagen zur technischen Gebäudeausrüstung nicht allzu sorglos umzugehen. Zwar ist der – isolierte - Einbau solcher Anlagen grundsätzlich verfahrensfrei, also ohne vorherige Baugenehmigung möglich. Das gilt aber dann nicht, wenn die Wärmepumpe im Rahmen eines genehmigungspflichtigen Vorhabens – hier dem Bau eines Einfamilienhauses – installiert werden soll.

Die vom Verwaltungsgericht beanstandete Unbestimmtheit der Baugenehmigung konnte das zuständige Bezirksamt durch einen Änderungsbescheid beseitigen. Aus den nachgereichten Bauvorlagen ergaben sich Hersteller und Modell der eingebauten Wärmepumpe sowie deren konkreter Aufstellungsort. In der Begründung zum Änderungsbescheid wurde noch darauf hingewiesen, dass nach Prüfung durch die Sachbearbeitung festgestellt worden sei, dass keine unzumutbaren Störungen von der Wärmepumpe ausgehen würden. In der Überzeugung, nun aber alles richtig gemacht zu haben, erhob das Bezirksamt Beschwerde, über die das OVG Hamburg mit bemerkenswertem Beschluss vom 07.06.2023 entschieden hat.

Ab hier wird es kompliziert. Angegriffen wurde eine im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 61 HBauO erteilte Baugenehmigung. Vereinfacht deshalb, weil nicht alle Vorschriften, die beim Bauen zu beachten sein können, geprüft werden. Deren Einhaltung ist allein Sache des Bauherrn. § 61 Abs. 3 Nr. 7 HBauO bestimmt nun ausdrücklich, dass die Vorschriften des Immissionsschutzrechts keiner Prüfung unterliegen. Daraus sollte man schließen können, dass Lärmfragen nicht zu prüfen sind. Das ergibt irgendwie Sinn, wenn man den Prüfungsaufwand im vereinfachten Genehmigungsverfahren reduzieren will. Schade nur, dass es im vorliegenden Fall mit einer Vereinfachung nicht so richtig geklappt hat. Im Gegenteil: Das „Herzstück“ der Prüfung im vereinfachten Genehmigungsverfahren ist die bauplanungsrechtliche Prüfung. Und just am Bauplanungsrecht klebt mit der Beharrlichkeit eines alten Kaugummis das sogenannte Gebot der Rücksichtnahme, dessen Bedeutung dadurch unterstrichen wird, dass es sich in keinem Gesetzestext nachlesen lässt. Welche Anforderungen stellt aber nun das Gebot der Rücksichtnahme? Diese Frage lässt sich unter Rückgriff auf das Immissionsschutzrecht beantworten: § 22 BImSchG i.V.m. der TA Lärm bestimmen die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für den Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme. Das können sich nur Juristen ausdenken: Man prüft bestimmte Vorschriften nicht, sondern macht sie nur zum Maßstab seiner Entscheidung. Das nächste Mal doch lieber einen Staubsauger…..

Für das Nachbargebäude ging das OVG Hamburg von Immissionsgrenzwerten von 50 d(B)A tags und 35 d(B)A nachts aus und betonte, dass die Beweislast für die Einhaltung der Grenzwerte beim Bauherrn liegt. Die Frage ist nur, wie dieser Nachweis erbracht werden kann. Im vorliegenden Fall hat der Bauherr eine Schallberechnung des Anlagenherstellers vorgelegt. Das genügte dem OVG Hamburg nicht. Im Zweifel führt deshalb kein Weg an einem Schallgutachten eines unabhängigen Sachverständigen vorbei, der ggf. auch etwaige tieffrequente Geräusche zu ermitteln hat.

Am Ende des Tages durfte der Bauherr trotz der Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung weiter bauen. Nach Ansicht des OVG Hamburg wäre die Aufrechterhaltung des Baustopps unverhältnismäßig, weil ein nachbarrechtskonformer Betrieb der Wärmepumpe im Rahmen des Widerspruchsverfahrens sichergestellt werden könnte.

Die Entscheidung des OVG Hamburg ist Beleg dafür, dass Vereinfachungen die Sache manchmal unnötig verkomplizieren. Wenn man beispielsweise die Wärmepumpen generell, also auch im Rahmen eines Neubaus verfahrensfrei stellen würde, wäre eine Baugenehmigung insoweit nicht angreifbar. Verfahrensfrei bedeutet nicht, dass der Bauherr oder die Bauherrin nach Belieben schalten und walten dürfte. Die dargestellten rechtlichen Vorgaben müssen immer eingehalten werden. Vorteil ist aber, dass der Streit sich auf die tatsächlich oder vermeintlich zu laute Wärmepumpe konzentriert und Kollateralschäden in Form eines Baustopps für ein ganzes Gebäude vermieden werden können. Die nächste Überarbeitung der Hamburgischen Bauordnung steht ja bevor …

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