Kein Zugang zum Betäubungsmittel Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung
Das Oberverwaltungsgericht Münster hat entschieden: Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn ist nicht verpflichtet, schwerkranken Menschen, die den Entschluss zum Suizid gefasst haben, hierfür den Erwerb des Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital zu erlauben.
In der Pressemitteilung wird ausgeführt:
"Der Erteilung der begehrten Erlaubnis steht der zwingende Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 6 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) entgegen. Eine Erwerbserlaubnis, die auf eine Nutzung von Betäubungsmitteln zur Selbsttötung gerichtet ist, dient nicht dazu, die notwendige medizinische Versorgung sicherzustellen. Das ist bei Anwendungen eines Betäubungsmittels nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur der Fall, wenn diese eine therapeutische Zielrichtung haben, also dazu dienen, Krankheiten oder krankhafte Beschwerden zu heilen oder zu lindern. Grundrechte von Suizidwilligen werden durch diese Auslegung des Betäubungsmittelgesetzes derzeit nicht verletzt. Der mittelbare Eingriff in das Recht auf selbstbestimmtes Sterben ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Der Versagungsgrund schützt das legitime öffentliche Interesse der Suizidprävention und dient der staatlichen Schutzpflicht für das Leben. Diese Schutzpflicht kann gegenüber dem Freiheitsrecht des Einzelnen den Vorrang erhalten, wo die Selbstbestimmung über das eigene Leben gefährdet ist. Vorkehrungen, die eine selbstbestimmte Entscheidung des Suizidenten gewährleisten, sieht das Betäubungsmittelgesetz nicht vor. Sie können auch nicht in das Gesetz hineingelesen werden. Ob ein Zugang zu Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung ermöglicht werden soll, muss der demokratisch legitimierte Gesetzgeber entscheiden, der dann auch ein diesbezügliches Schutzkonzept entwickeln müsste. Die Fragen, welche Anforderungen an den freien Willen, die Dauerhaftigkeit des Selbsttötungsentschlusses oder die Information über Handlungsalternativen zu stellen wären und wie Miss- oder Fehlgebrauch verhindert werden könnte, müssen gesetzlich beantwortet werden."
Und es gibt ja auch andere Möglichkeiten:
"Die Beschränkung Suizidwilliger durch § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG führt nicht dazu, dass sie ihr Recht auf Selbsttötung nicht wahrnehmen können. Nach aktueller Rechtslage ist vielmehr ein zumutbarer Zugang zu freiwillig bereitgestellter Suizidhilfe real eröffnet. Infolge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020 (zur Verfassungswidrigkeit des in § 217 StGB geregelten Verbots der geschäftsmäßigen Beihilfe zur Selbsttötung) hat sich die Möglichkeit, den Wunsch nach selbstbestimmtem Sterben zu verwirklichen, wesentlich verbessert. Das ärztliche Berufsrecht steht der Suizidhilfe nicht mehr generell entgegen. Es gibt Ärzte, die tödlich wirkende Arzneimittel verschreiben und andere Unterstützungshandlungen vornehmen. Dabei ist es zumutbar, die Suche auf ein Gebiet jenseits des eigenen Wohnorts oder Bundeslands zu erstrecken. Infolge der Nichtigkeit des § 217 StGB sind auch geschäftsmäßige Angebote der Suizidhilfe wieder verfügbar."
Quelle: Urteile vom 02.02.2022 - Aktenzeichen: 9 A 146/21 , 9 A 147/21, 9 A 148/21 - Pressemitteilung
Dem Vernehmen nach hat sich einer der drei Kläger auf den Weg gemacht - nein, nicht etwa, um sich auf die vom OVG Münster empfohlene Reise zu machen, sondern schlicht der Urteilsverkündung beizuwohnen. Stellen wir die Juristerei für einen Moment einmal hintan und versetzen wir uns nur für einen einzigen qualvollen Moment in seine Situation, in seine Lage, in seinen Körper. Wie bitter muss der Moment gewesen sein, in dem seine Klage abgewiesen worden ist!!! Man darf wohl die Frage stellen, warum der Gesetzgeber nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nahezu untätig geblieben ist. Die vom OVG Münster vermissten Leitplanken für jene letzte Fahrt hätte schon längst geschaffen werden müssen.
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