Beginn der Verjährungsfristen für Mängelgewährleistungsrechte im Bauvertragsrecht ohne Abnahme des Werkes, ist das möglich?
- Jan-Hinnerk Schlotfeldt

- vor 3 Tagen
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OLG Hamburg, Urteil vom 09.11.2023 – 4 U 18/23
Kann die Gewährleistungsfrist von Mängelrechten abgelaufen sein, wenn ich das Werk als Auftraggeber noch nicht abgenommen habe? Eine Frage, die in der baurechtlichen Praxis immer wieder eine Rolle spielt und von Juristen mit der allseits beliebten Antwort begegnet wird. Es kommt drauf an. Aber worauf genau kommt es an?
Nach dem Wortlaut des Gesetzes beginnt der Verjährungsfrist der Gewährleistungsechte der § 634 Nr. 1,2 und 4 BGB – mithin das Recht auf Nacherfüllung, § 635 BGB; das Recht auf Selbstvornahme, § 637 BGB und das Recht auf Schadenersatz, §§ 636, 280, 281, 283 und 311a BGB - mit der Abnahme des Werks, so steht es in § 634a Abs. 2 BGB.
Der Blick ins Gesetz verrät insoweit also, dass die Abnahme des Werkes für den Lauf der Verjährungsfristen entscheidend ist. Das Gesetzt schreibt vor, ohne Abnahme kein Wechsel ins Nacherfüllungsstadium und somit auch kein Lauf der Verjährungsfristen der Mängelgewährleistungsrechte.
Wenn das Gesetz genau regelt, wann die Verjährungsfirsten beginnen zu laufen, wie kann es sein, dass es keiner Abnahme bedarf für die Ingangsetzung der Verjährungsfristen der Mängelgewährleistungsrechte?
Die Antwort hierauf ist das Abrechnungsverhältnis.
Beim Abrechnungsverhältnis handelt es sich um eine von der Rechtsprechung des BGHs geschaffenes Rechtsfigur, welches nach der Rechtsprechung die Wirkung der Abnahme herbeiführt. Das Abrechnungsverhältnis liegt vor, wenn der Auftraggeber deutlich macht, dass er vom Auftragnehmer endgültig keine weiteren Leistungen mehr erwartet und eine vollständige Abrechnung des Vertragsverhältnisses wünscht, was etwa dann der Fall ist, wenn sich nur noch Restwerklohnanspruch und Minderungs- oder Schadenersatzansprüche gegenüberstehen.
(vgl. hierzu BGH-Urteil vom 19.01.2017 – VII ZR 301/13 Rn. 47; IBRRS 2025, 2977; OLG Hamburg, Urteil vom 09.11.2023 – 4 U 18/23 II, 1, b bb) m.w.N.)
In der Rechtsprechung ist insofern gefestigt, dass die Verjährungsfristen für die Mängelgewährleistungsrechte auch dann beginnen zu laufen, wenn ein Abrechnungsverhältnis vorliegt. In diesen Fällen wird die Abnahme nicht ersetzt. Vielmehr liegt eine Abnahme nicht vor, jedoch aufgrund der gerichteten Interessen der Parteien, lediglich nur noch Zahlungsansprüche gegeneinander geltend machen zu wollen, folgt die Abnahmewirkung, und zwar aus dem Abrechnungsverhältnis.
In der Praxis kommt dann die logische Anschlussfrage, führt die Kündigung des Vertrages automatisch zum Abrechnungsverhältnis?
Die Antwort hierauf ist nein. So erneut entschieden vom OLG Hamburg. Die Kündigung allein führt nicht zum Abrechnungsverhältnis. Vielmehr müssen Umstände hinzutreten, nach denen die Erfüllung des Vertrages nicht mehr in Betracht kommt.
(OLG Hamburg, Urteil vom 09.11.2023 – 4 U 18/23 II, 1, b, bb) IBRRS 2025, 2977)
Ob entsprechende Umstände vorliegen, ist durch Auslegung zu ermitteln. Im Fall des OLG Hamburg, bei welchem es um Mängelrechte aus einem Architektenvertrag ging, wurde das Vorliegen eines Abrechnungsverhältnisses bejaht, da der Kündigung der eindeutige Wille zu entnehmen war, dass keine Erfüllung des Vertrages mehr gewollt war. So teilte die Auftraggeberin im Fall des OLG Hamburg mit, dass entscheidende Planungsleistungen fehlten und durch eine unzureichende Bauüberwachung erhebliche Schäden am Bauobjekt entstanden seien. Weiter enthielt die Kündigung den Zusatz, dass kein Vertrauen mehr in die Person des Architekten bestand und man nicht davon ausgehe, dass das Objekt mit Hilfe des Architekten verwirklicht werden könnte.
(OLG Hamburg, Urteil vom 09.11.2023 – 4 U 18/23 II, 1, b, cc, (1)), IBRRS 2025, 2977)
Für das OLG Hamburg war der Kündigung also der Wille zu entnehmen, dass keine Erfüllung mehr gewollt war. Hieraus schlussfolgerte das OLG, dass ein Abrechnungsverhältnis vorlag. Unter Anwendung der gefestigten Rechtsprechung bedeutete dies wiederum, dass die Verjährungsfristen der Mängelgewährleistungsrechte mit dem Vorliegen des Abrechnungsverhältnisses zu laufen begannen und bereits abgelaufen waren, als die Klägerin ihre Klage beim LG Hamburg in der ersten Instanz einreichte. Die Einrede der Verjährung der Beklagten griff durch. Das OLG bestätigte damit das LG Hamburg (1. Instanz) in seiner Entscheidung und wies die Berufung zurück.
Die Entscheidungen des LG Hamburg und des OLG Hamburg zeigen eindrucksvoll, wie ohne Abnahme des Werkes dennoch Verjährungsfristen zu laufen beginnen können und welche Risiken dadurch für Auftragsgeber entstehen.
Wichtig hervorzuheben ist, dass keine Abnahmewirkung entfaltet wird, sollte die Kündigung nicht zu einem Abrechnungsverhältnis führen. Um Gewährleistungsrechte geltend zu machen, muss in diesen Fällen, trotz Kündigung, die Abnahme noch erklärt werden. Ansonsten verbleibt das Vertragsverhältnis im Erfüllungsstadium.
Für Auftraggeber die Mängelrechte im Rahmen der gesetzlichen Fristen geltend machen wollen, gilt also Folgendes zu beachten:
Habe ich das Werk abgenommen? Wenn ja, wann habe ich das Werk abgenommen?
Wenn ich das Werk nicht abgenommen habe, liegt möglicherweise ein Abrechnungsverhältnis vor? Wenn ja, seit wann liegt dieses vor?
Wenn ich diese Fragen beantworten kann, dann kann ich auch meine Verjährungsfristen berechnen. Da die Beantwortung der Fragen nicht immer einfach ist, wie der Fall des OLG Hamburg zeigt, ist anwaltliche Hilfe ratsam. Wir helfen bei diesen und anderen baurechtlichen Fragen gerne mit unserer Fachexpertise, damit Sie Ihre Rechte rechtsicher geltend machen können.



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