Es ist soweit: Das Gesetz zur Mobilisierung von Bauland (Baulandmobilisierungsgesetz) vom 14.06.2021 ist gestern im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden und damit heute, am 23.06.2021, in Kraft getreten. Es handelt sich aber nicht um ein neues, in sich geschlossenes Gesetz, sondern um die Änderung maßgeblicher Vorschriften im Baugesetzbuch (BauGB), der Baunutzungsverordnung (BauNVO) und der Planzeichenverordnung. Wir geben Ihnen an dieser Stelle einen ersten Überblick:
Eine neue Idee ist die Verordnungsermächtigung an die Bundesländer zur Festlegung von „Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten“ in § 201a BauGB. Sobald ein Bundesland eine solche Rechtsverordnung erlässt, wird das in den so bestimmten Gebieten unmittelbare Auswirkungen haben:
Zugunsten des Wohnungsbaus können Befreiungen vom Bebauungsplan unter geringeren Voraussetzungen als bisher erteilt werden, § 31 Abs. 2 BauGB.
Es gilt unter bestimmten Voraussetzungen ein besonderes Vorkaufsrecht der Gemeinde an unbebauten oder brachliegenden Grundstücken, § 25 Abs. 1 Nr. 3 BauGB.
Die Voraussetzungen für die Anordnung eines Baugebots können in bestimmten Fällen vorliegen, § 175 Abs. 1 BauGB.
Die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum bedarf bei Wohngebäuden unter bestimmten Voraussetzungen der Genehmigung, § 250 BauGB.
Doch auch jenseits dieser gesondert zu bestimmenden Gebiete hat die Novelle erhebliche Auswirkungen auf die Zulässigkeit von Bauvorhaben:
Befreiungen von Festsetzungen eines Bebauungsplans können ab sofort ausdrücklich auch wegen der „Wohnbedürfnisse der Bevölkerung“ erteilt werden, § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB.
Von dem Erfordernis des „sich Einfügens“ gemäß § 34 BauGB kann bei Bauvorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile künftig unter bestimmten Voraussetzungen abgewichen werden, § 34 Abs. 3a Nr. 1 b) und c) BauGB. Auch hier gelten die Erleichterungen für die Schaffung, bzw. Erweiterung von Wohnraum.
In diesem Sinne wird die Möglichkeit zur Schaffung von Wohnraum auch im Außenbereich nach § 35 Abs. 4 BauGB künftig erweitert.
Die Städte und Gemeinden bekommen auch andere Werkzeuge an die Hand, um neues Bauland zu "mobilisieren":
Städtebauliche Entwicklungskonzepte zur Stärkung der Innenentwicklung können von den Gemeinden beschlossen werden, § 176 BauGB – womit die bauliche Nutzbarmachung von unbebauten oder brachliegenden Grundstücken erleichtert werden soll.
Der Anwendungsbereich der Vorkaufsrechte für die Gemeinden ist ausgedehnt worden und die Ausübung soll erleichtert möglich sein, § 24 BauGB. Beispielsweise haben die Städte und Gemeinden künftig auch länger Zeit zu entscheiden, ob sie bei abgeschlossenen Kaufverträgen ihr Vorkaufsrecht ausüben wollen.
Auch für Bauleitplanverfahren gibt es so manche Änderung:
Mit dem neuen § 9 Abs. 2d BauGB können künftig Bebauungspläne mit besonderen Festsetzungen für den sozialen Wohnungsbau aufgestellt werden.
Nach § 13a Abs. 4 BauGB gelten die Verfahrenserleichterungen für Bebauungspläne der Innenentwicklung jetzt auch für den Fall der Aufhebung eines Bebauungsplans.
Der § 13b BauGB über die Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren wird verlängert und gilt nun bis zum 31.12.2022.
Die besonderen Belange des Mobilfunkausbaus, der Elektromobilität und der ausreichenden Versorgung mit Grün- und Freiflächen haben Eingang in den Katalog des § 1 Abs. 6 BauGB gefunden. Diese Belange sind bei der Bauleitplanung zu berücksichtigen.
In Bebauungsplänen dürfen künftig auch Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge (§ 9 Abs. 1 Nr. 11) und für Naturerfahrungsräume (§ 9 Abs. 1 Nr. 15) festgesetzt werden.
Als weiteren Gebietstyp gibt es ab sofort das „Dörfliche Wohngebiet“ nach § 5a BauNVO, um dem Wandel der dörflichen Strukturen durch immer weniger landwirtschaftliche Betriebe gerecht zu werden.
Die Bestimmung über die Obergrenzen zum Maß der baulichen Nutzung ist jetzt flexibler, § 17 BauNVO.
Ab sofort sind Nebenanlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen dienen, unter erleichterten Voraussetzungen zulässig, § 14 Abs. 1a BauNVO.
Das sind viele für die Praxis relevante Änderungen. In vielen Fällen werden jetzt die Karten neu gemischt und Genehmigungsvoraussetzungen sowie Bauleitplanverfahren laufen zum Teil unter anderen Bedingungen. Es bleibt in jedem Fall spannend.
Neue Rechtsbegriffe sind noch zu klären: Wann kann man zum Beispiel von einem „brachliegenden Grundstück“ sprechen, oder was genau ist ein „Naturerfahrungsraum“? Wann rechtfertigt das Bedürfnis nach mehr Wohnraum eine Befreiung von Festsetzungen eines Bebauungsplans und wann doch nicht?
Sicher wird so manche Stadt oder Gemeinde ganz neue Ideen bei der Aufstellung von Bebauungsplänen verwirklichen und so mancher Bauherr wird künftig einfacher eine Baugenehmigung erhalten.
Andererseits wird die Umwandlung von Wohnungen in Eigentum erschwert und das Vorkaufsrecht kann, wie auch das Baugebot, zu einem (scharfen?) Schwert der Städte und Gemeinden werden.
Mitunter beschleicht einen der Verdacht, dass der Gesetzgeber Experimente betreibt, ohne sich seiner Sache ganz sicher zu sein. In mehreren Fällen ist die Geltungsdauer der neuen Vorschriften zeitlich begrenzt und eine Evaluierung ausdrücklich vorgesehen. Viele Vorschriften halten bei näherer Betrachtung nicht, was sie auf den ersten Blick versprechen und andere wiederum könnten gravierende Auswirkungen haben.
Als Ansprechpartner für das gesamte öffentliche Baurecht stehen Ihnen bei uns Fachanwälte und Fachanwältinnen für Verwaltungsrecht zur Verfügung:
Als Ansprechpartner für das Wohnungseigentumsrecht steht Ihnen bei uns Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Markus Wiegmann zur Verfügung.
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