OLG Köln Urteil vom 16.12.2021, Az. 7 U 12/20 - IBRRS 2022, 0101
Unter anderem mit obengenannter Frage beschäftigte sich zuletzt der 7. Senat des Oberlandesgerichts Köln in seinem Urteil vom 16.12.2021.
I. Sachverhalt
Was war geschehen?
Zwischen Auftraggeber (AG) und Auftragnehmer (AN) kam es zum Abschluss eines Vertrages über die Ausführung von Abdichtungsarbeiten, allerdings fehlte dem AN der erforderliche Meistertitel, weshalb er auch nicht in der Handwerksrolle eingetragen war. Vom Fehlen des Meistertitels und der Eintragung in der Handwerksrolle hatte der AG bei Vertragsschluss keine Kenntnis, als er jedoch im Nachhinein hiervon erfuhr, hielt er den Vertrag für nichtig und verlangte Rückzahlung bereits geleisteter Zahlungen.
II. Rechtliche Einordnung
Gemäß § 1 Abs. 1 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes (SchwarzArbG) dient dieses Gesetz der Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung.
Nach § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 SchwArbG leistet u.a. derjenige verbotene Schwarzarbeit, der ein zulassungspflichtiges Handwerksgewerbe betreibt, ohne in die Handwerksrolle eingetragen zu sein – Stichwort: Meisterzwang.
§ 134 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wiederum bestimmt, dass ein Rechtsgeschäft, welches gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig ist.
III. Entscheidung des Gerichts
Unter Berücksichtigung der vorstehenden gesetzlichen Regelungen müsste die Entscheidung der Richter aus Köln doch eigentlich feststehen, Meistertitel und Eintragung in die Handwerksrolle fehlen, der Vertrag verstößt gegen ein gesetzliches Verbot und ist somit nichtig, richtig?
Nein!
Aus Sicht des erkennenden Senats ist der Vertrag nicht wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot unwirksam. Denn selbst wenn es sich bei den zu erbringenden Arbeiten um solche gehandelt habe, die nur ein Meisterbetrieb hätte vornehmen dürfen, habe die fehlende Meistereigenschaft der AN zu einem nur einseitigen Verstoß gegen
§ 1 Abs. 2 Nr. 5 SchwArbG geführt, der nicht die Nichtigkeit des Vertrags nach sich ziehe.
Einseitige Verstöße des AN gegen das SchwArbG ziehen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Regel nicht die Nichtigkeit des Vertrages nach sich (vgl. BGH NJW 2013, 3167, 3169 Rn. 22 ff.). Die Annahme der Nichtigkeit im Falle eines einseitigen Verstoßes würde u.a. zu der nicht hinnehmbaren Konsequenz führen, dass der AG weder Erfüllungs- noch Gewährleistungsansprüche geltend machen könnte, wenn sich - wie hier - nachträglich ein Verstoß des Unternehmers gegen das SchwarzArbG herausstellt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.02.2016, 23 U 110/15).
Eine andere Auffassung vertritt insoweit das Oberlandesgericht Frankfurt (Urteil vom 24.05.2017, 4 U 269/15). Aus Sicht des OLG Frankfurt führt ein Verstoß gegen das SchwArbG grundsätzlich, einseitig oder nicht, zu einer Unwirksamkeit des zivilrechtlichen Vertrages. Allerdings sei, so der 7. Senat des OLG Köln, die abweichende Auffassung des OLG Frankfurt nicht überzeugend, weil insbesondere die pauschale Gleichsetzung der Schwarzarbeit in Gestalt einer "Ohne-Rechnung-Abrede" (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwArbG) mit der fehlenden beruflichen Qualifikation des Ausführenden (§ 1 Abs. 2 Nr. 5 SchwArbG) den zu § 134 BGB anerkannten Auslegungsgrundsätzen widerspreche. Danach sei, wenn eine verbotseigene Rechtsfolgenregelung fehle, nach Sinn und Zweck des verletzten Verbots abzuwägen, ob die durch das Rechtsgeschäft getroffene Regelung hinzunehmen bzw. bestehen zu lassen ist oder nicht (vgl. BGH NJW 2000, 1186, 1187, st. Rspr.). Abzustellen sei dabei nicht auf das generelle Verbot von Schwarzarbeit, sondern auf die Untersagung der Erbringung von Leistungen ohne die hierfür erforderliche Befähigung.
Insoweit hatte der Bundesgerichtshof bereits im Jahre 1984 ausgeführt, dass dem Verstoß gegen ein solches Verbot mit berufsrechtlichen Maßnahmen oder öffentlich-rechtlichen Sanktionen hinreichend Rechnung getragen werden könne, ohne dass es erforderlich wäre, einem einzelnen, im Rahmen des verbotenen Handwerksbetriebes zustande gekommenen Rechtsgeschäft die zivilrechtliche Wirksamkeit zu versagen (BGH NJW 1984, 230, 231).
IV. Blick nach Hamburg
Wie hätte wohl das Hanseatische Oberlandesgericht den Fall entschieden?
Mit Blick auf die Entscheidung des OLG Hamburg vom 14.09.2018, Az. 11 U 138/17 - IBRRS 2019, 3810 – ist anzunehmen, dass der Fall wohl auch in Hamburg ähnlich entschieden worden wäre.
Im Leitsatz 1 der o.g. Entscheidung des OLG Hamburg, der ein ähnlicher Sachverhalt zugrunde lag, heißt es, dass dann, wenn der AN Leistungen eines zulassungspflichtigen Handwerks erbringt, ohne in die Handwerksrolle eingetragen zu sein, dies nur dann zur Nichtigkeit des geschlossenen Vertrages führt, wenn der AG Kenntnis von dem Verstoß des AN hat und diesen bewusst zu seinem Vorteil ausnutzt.
Somit führt auch aus Sicht der Hamburger Richter ein einseitiger Verstoß gegen
§ 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 SchwArbG grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit des zivilrechtlichen Vertrages.
V. Empfehlung für die Praxis
Auch im Bereich des § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 SchwArbG lautet die klare Empfehlung für die Praxis: Gesetzestreue! Dies nicht zuletzt deshalb, weil der AG, der einen Handwerksmeister beauftragt, in der Regel eine höhere Qualität der Leistungsausführung erwarten können wird, der AN hingegen berufsrechtliche Maßnahmen und insbesondere auch ein Bußgeld vermeiden kann, welches im Einzelfall in durchaus empfindlicher Höhe ausgesprochen werden kann.
Sollte sich im Nachhinein doch einmal herausstellen, dass der erforderliche Meistertitel fehlt, führt dies nicht per se zur Unwirksamkeit des geschlossenen Vertrages. Zur Beurteilung der Rechtsfolgen des fehlenden Meistertitels und der fehlenden Eintragung in der Handwerksrolle bedarf es einer genauen Aufklärung, Prüfung und Auswertung sämtlicher Einzelfallumstände.
Hierbei steht Ihnen das Team von Klemm und Partner selbstverständlich gerne helfend zur Seite – sprechen Sie uns an!
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